Der Innovationskorridor Berlin–Lausitz ist ein gemeinsames Entwicklungsprojekt von Berlin und Brandenburg. Ziel ist es, die Hauptstadtregion und die Lausitz stärker zu verbinden – durch bessere Zusammenarbeit in Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft. Entlang des Korridors von Berlin-Adlershof über Cottbus bis in alle Ecken der Lausitz entstehen neue Räume für Innovation, Arbeiten und Wohnen. Hochschulen, Forschungsinstitute, Kommunen und Unternehmen sollen enger vernetzt werden, um wissenschaftliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen besser verstehen und in die eigene Anwendung bringen zu können. Der Korridor unterstützt den Strukturwandel in der Lausitz und will zeigen, wie Regionen gemeinsam zukunftsfähig werden können – durch Kooperation, Nachhaltigkeit und kreative Lösungen.
Strukturwandel auf dem Fahrradsattel erleben
Wie fühlt sich Strukturwandel eigentlich an? Wie gelingt es, aus Ideen echte Orte der Zukunft zu machen? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, kamen Studierende der Stadt- und Regionalplanung von der TU Berlin für eine einwöchige Exkursion in die Lausitz – mit dem Fahrrad, offenem Blick und vielen Fragen im Gepäck. Begleitet wurden sie von ihrer Dozentin Sarah Starre, die den Innovationskorridor Berlin–Lausitz bereits seit Längerem wissenschaftlich begleitet.
Ziel der Exkursion war es, die Grundlagen und Verbindungen des Innovationskorridors direkt vor Ort zu erleben – und mit Akteur*innen ins Gespräch zu kommen, die den Wandel gestalten. Die Exkursion ist eines von drei Projekten im Studiengang Stadt- und Regionalplanung. Das Modul läuft über zwei Semester mit einem wöchentlichen Zeitumfang von vier Stunden – der Lausitz widmeten sich die Teilnehmenden jedoch mit ganzer Energie.
Die Route führte zu ausgewählten Orten des Strukturwandels – vom Cottbuser Hauptbahnhof bis in Gemeinden wie Lübbenau/ Spreewald oder Luckau. Besonders prägend: die Gespräche mit Bürgermeister*innen, die mit großem persönlichen Engagement ihre Kommunen durch eine Entwicklung abseits der Kohle führen.
„Die Lausitz ist ein Reallabor dafür, wie Zukunft entstehen kann, ohne dass das industrielle Erbe vergessen wird.“
– Sarah Starre, TU Berlin
„Man spürt den Gestaltungswillen“
Die Studierenden kamen aus unterschiedlichsten Kontexten – und mit ebenso unterschiedlichen Perspektiven in die Lausitz. Jonas zum Beispiel kannte die Region bereits durch frühere Besuche im Tagebau. Gerade deshalb hat er sich bewusst für das Modul entschieden: „Ich finde den Strukturwandel spannend und wollte mir anschauen, wie die Region sich entwickelt. Ich kann mir sogar vorstellen, nach dem Studium mit meiner Familie hierherzuziehen.“
Melissa dagegen hatte bisher keine Berührungspunkte mit dem Thema. Sie zeigte sich beeindruckt vom Engagement der Menschen: „Es ist Wahnsinn, wie viele sich aktiv beteiligen – aber klar ist auch: Nicht alles kann gelingen.“
Marvin, ursprünglich aus Bayern, kannte die Lausitz vor der Exkursion kaum. Besonders bewegt hat ihn der Besuch beim Bürgermeister von Luckau: „Er war so nahbar. Das hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, Demokratie erlebbar zu machen – und dass Veränderung wirklich möglich ist.“
Eine Region zwischen Ambivalenz und Aufbruch
Die Woche in der Lausitz war für die Gruppe mehr als eine Lehrveranstaltung. Sie war ein Perspektivwechsel – eine Auseinandersetzung mit einem Raum, der zwischen industriellem Erbe, politischem Handlungsdruck und großen Chancen steht. „Wir haben gesehen, dass Wandel nicht nur technisch oder wirtschaftlich, sondern vor allem sozial und kommunikativ gestaltet werden muss“, fasst Sarah Starre zusammen.
Kritisch diskutiert wurden dabei auch die Herausforderungen: Wie gelingt echte Beteiligung? Wie kann die Region für junge Menschen attraktiv bleiben? Und wie lassen sich ambitionierte Zukunftsvisionen mit der teils noch unzureichenden Infrastruktur in Einklang bringen?
Doch genau darin liegt die Stärke der Lausitz: Sie ist ein Raum in Bewegung – offen für neue Ideen, geprägt von Engagement und bereit, mutige Wege zu gehen. Für die Studierenden war die Woche nicht nur eine Exkursion, sondern ein Ausblick auf die Gestaltungsmöglichkeiten von morgen. Und vielleicht auch ein erster Schritt, sich selbst als Teil dieser Veränderung zu begreifen. Mitgenommen haben sie nicht nur Einblicke in Projekte und Prozesse, sondern auch ein Gespür für das, was Wandel vor Ort wirklich bedeutet.
Oder, wie Jonas es ausdrückt: „Man spürt hier die Kraft, etwas Neues zu schaffen – und das macht Mut.“
Wie tiefgehend sich die Studierenden mit dem Innovationskorridor auseinandergesetzt haben, zeigte sich bei der Abschlusspräsentation am 18. Juli: In Interviews, KI-generierten Dialogen und selbst gestalteten Plakaten reflektierten sie nicht nur die besuchten Orte, sondern auch zentrale Fragen des Strukturwandels. Ein besonders kreatives Ergebnis von ihnen ist ein eigens entwickeltes Brettspiel, das – angelehnt an das bekannte Leiterspiel – die Dynamiken des Korridors auf spielerische Weise erfahrbar macht. Das sieht dann zum Beispiel so aus: Wer eine Forschungseinrichtung im Lausitz Science Park erfolgreich ansiedelt, darf vier Felder vorrücken. Wer beim Bau eines Rechenzentrums einen Job findet, bekommt einen Extrawurf. Und wer im Spreewald ein Restaurant mit echten Gurken entdeckt, setzt eine Runde aus – weil Genuss eben auch Teil von Lebensqualität ist. Das Spiel und die gesamte Präsentation machten deutlich: Die Studierenden haben den Innovationskorridor nicht nur verstanden, sondern auch kreativ durchdrungen – mit einem offenen Blick für Projekte, Potenziale und das besondere Lebensgefühl der Lausitz.